Web ohne Barrieren – Die Web Accessibility Initiative

Web ohne Barrieren - Die Web Accessibility Initiative Die Web Accessibility Initiative (WAI) ist ein Organ des obersten
WWW-Gremiums, des World Wide Web Konsortiums (W3C), und legt die
Kriterien für Barrierefreiheit im Internet fest. Grundsätzliche
Muss-Anforderungen sind hier definiert.

Visuell-bedingte Barrieren

Rot/grün und Kontrast
Die am häufigsten vorkommende Barriere im WWW liegt in der
farblichen Gestaltung von Grafiken und Buttons. Eine sehr häufige
Sehschwäche ist beispielsweise eine Rot/Grün-Schwäche.
Menschen mit einer solchen Einschränkung haben Schwierigkeiten,
zwischen bestimmten Farbtönen zu differenzieren. Sie sollten
Rot und Grün nicht als kritische Erkennungsmerkmale einsetzen
und Ihre Seiten bei der Gestaltung immer von einem Farbblinden überprüfen
lassen.

Ebenfalls aus Sicht von Sehbehinderten ist anzuführen, dass
wichtige Grafiken auf einer Webseite, die z.B. für die Navigation
auf der Seite benötigt werden, unbedingt kontrastreich
und mit einer angemessenen Größe der darin enthaltenen
Wörter dargestellt werden müssen, wenn sie lesbar sein
sollen.

Alternativtexte bei Grafiken
Die Nutzer von Screen Readern haben prinzipiell keine Möglichkeit,
ein Bild oder eine Grafik zu betrachten. Der einzige Weg, etwas
über den Inhalt der Grafik zu erfahren, ist der sogenannte
Alternativtext, der jeder Grafik im HTML-Quellcode beigefügt
werden kann. Ein Screen Reader, der beim Übersetzen einer WWW-Seite
auf eine Grafik trifft, gibt lediglich die Angabe "Grafik"
und den Alternativtext aus. Fehlen Alternativtexte, kann es passieren,
dass der Screen Reader eine Seite vorliest wie: "Grafik Grafik
Grafik …". Aus diesem Grund haben die Alternativtexte für
Screen-Reader-Nutzer eine sehr wichtige Bedeutung.

Insbesondere die Grafiken, die als Link eingesetzt werden,
bedürfen aus Sicht der Screen Reader-Anwender eine präzise
Textbelegung bzgl. Ziel des Links. Ein "Bitte hier klicken"
in mehrfacher Ausführung, wobei die Grafiken stets ein für
Sehende leicht erkennbares Symbol anzeigen, ist nicht besonders
hilfreich. Vielmehr müssen Alternativtexte für Grafiken
den Sinn der Grafik wiederspiegeln. Wenn ein Bild als Navigationslink
eingesetzt wird, sollte der Text dazu eben auf die dahinter stehende
Information schließen lassen.

Der Alternativtext muss nicht unbedingt eine ausführliche
Beschreibung sein. Bei Buttons reicht der Text auf dem Button. Bei
anderen Symbolen ist die Bedeutung meist in ein bis drei Worten
ebenfalls hinreichend erklärt. Gelegentlich kann es jedoch
notwendig sein, eine längere Erläuterung beizufügen,
etwa bei Fotos oder Karikaturen. Hier eignet sich besser als der
Alternativtext der D-Link (D = Description, zu deutsch "Beschreibung").
Unmittelbar nach der Grafik kann ein Link mit dem Text "D"
zu einer gesonderten Seite führen, die die Grafik ausführlich
erläutert.

Bei Image-Maps handelt es sich um besondere Grafiken, meist
mit Menüs, Listen oder andere Bereiche zum Anklicken mit der
Maus. Die einzelnen Auswahlbereiche von Image Maps können Screen
Reader ausschließlich über den Titel des Bereichs erfassen.
Da die Maps meist zur Navigation auf Übersichtsseiten eingesetzt
werden und daher eines der wichtigsten Navigationselemente darstellen,
sind die einzelnen Titel besonders sorgfältig auszuwählen.
Für ältere Screen Reader sind Image-Maps unüberwindbare
Barrieren. Eine parallele "Nur-Text"-Seite ist nach den
WAI-Richtlinien dringend zu empfehlen.

Layout

Das Verwenden von Tabellen zu Layoutzwecken birgt für
den Screen-Reader-Nutzer Tücken, von denen der Webgestalter
nicht einmal etwas ahnt. Bedenken Sie, dass Blinde immer nur eine
einzige Tabellenzelle erfassen können. Eine sinnvolle und systematische
Anordnung der Zelleninhalte erleichtert das Lesen erheblich.

Für Sehbehinderte kann das Problem auftauchen, dass eine Tabelle
breiter angelegt ist als die individuelle Bildschirmauflösung.
Wenn die Breite der Tabelle ausschließlich über Zellen
statt der gesamten Tabelle definiert wird, kann diese Irritation
vermieden werden.

Tabellen jeder Art, ob sie eine tabellarische Darstellung enthalten
oder für ein Layout von Text eingesetzt werden, können
dann am besten gelesen werden, wenn die Zellen Zeile für Zeile
von links nach rechts gelesen werden können und immer noch
einen Sinn ergeben.
Es leuchtet den meisten ein, dass rote Schrift auf grünem Hintergrund
schwieriger zu erkennen ist als gelb auf blau oder schwarz auf weiß.
Bei der Gestaltung von Buttons und sonstigen Symbolen ist dies besonders
wichtig, denn diese sind im Browser nicht manipulierbar. Hingegen
besteht die Möglichkeit, bei Fließtext Farbvorgaben zu
ignorieren. Aber auch wenn man im Browser Farben ignorieren lassen
kann, sind viele Sehbehinderte nicht darauf angewiesen. Jedoch tauchen
gelegentlich Seiten auf, die nur einen geringen Kontrast zwischen
Text und Hintergrund aufweisen. Bei der Textgestaltung ist auch
auf die Farbgebung zu achten.

Oft werden sogenannte "Dummies" (transparente Grafiken)
zum Einrücken oder Schaffen von Abständen zwischen Textteilen
eingesetzt. Da sie unsichtbar sind und sein sollen, werden sie ohne
Alternativtext
belegt. Für Blinde sind solche Grafiken
ohne Textangabe immer ein Rätsel, da sie nie wissen, ob sich
ein informatives Bild dahinter verbirgt. Die Dummies unterbrechen
auch den Lesefluss, da sie von den Screen Readern erfasst und ausgewertet
werden. Wenn nicht auf die Dummies verzichtet werden kann, dann
sollten die Grafiken sinnvolle Namen wie "layout.gif"
und "transparent.gif" statt "lg2.gif" erhalten,
damit zumindest über die Zweitinformation des Dateinamens Klarheit
geschaffen wird.

Was dem "normalen" User zur Orientierung auf einer Seite
oft hilft, sind Überschriften. In der Praxis ist es
leider oft so, dass die Überschriften zunächst als Absatz
definiert werden und der Text danach über Zeichengröße
und/oder fett/kursiv hervorgehoben wird. Dabei verfügt HTML
über Überschriften-Befehle, die dem Seitenüberblick
bei langen Seiten dienen. Die Nutzung solcher Überschriften
(H1, H2, … H6)
hilft dem Screen-Reader-Nutzer, schneller einen
Überblick auf der Seite zu bekommen.

Ähnlich wie bei Tabellen können Screen Reader bei WWW-Seiten
mit Frame-Sets immer nur einen der Frames gleichzeitig betrachten.
Eine große Anzahl Frames macht Webseiten daher für Blinde
und Sehbehinderte unüberschaubar. Damit blinde und sehbehinderte
Internetnutzer schnell Zugang zu einem Frame-Set finden, ist es
wichtig, dass Frames mit sinnvollen Namen versehen werden wie z.
B. "Navigation", "Inhalt" und "Menü".
Ideal eignet sich der korrekte Einsatz des <NOFRAMES>-Tags.

Relative Werte statt absolute Angaben
Für Sehbehinderte sind manche Seiten nicht zu lesen, weil die
Schrift nicht nur zu klein, sondern auch unveränderbar ist.
Dies ist immer dann der Fall, wenn Schriftgrößen etwa
wie 10pt (pt = Punkt) vorgegeben werden. Das W3c hat sowohl mit
HTML als auch mit Cascading Style Sheets (CSS) Möglichkeiten
geschaffen, Angaben zu machen, die relativ zu den benutzereigenen
Einstellungen
definiert sind. Auf diese Weise können die
persönlichen Präferenzen bei der Bestimmung der Schriftgröße
immer berücksichtigt werden. In HTML gibt es die Skala 1, …
7, die über den <FONT>-Tag definiert werden kann (wird
aber demnächst nicht mehr im HTML-Standard enthalten sein).
In CSS gibt es gleich mehrere Möglichkeiten, allen voran aber
die Größe "em", die der benutzereigenen Schriftgröße
entspricht.

Zur sehbehindertengerechten Gestaltung von WWW-Seiten gehört
weiter das Verwenden von relativen Größenangaben für
Tabellen und Frames. Die relativen Angaben im Layout dienen der
Berücksichtigung verschiedener Bildschirmauflösungen (s.a.
"Layout").

Motorisch bedingte Barrieren

Großzügige Flächen für den Mausklick
Ein Mensch mit motorischen Einschränkungen hat weniger Kontrolle
über seine Bewegungen und somit auch über die Bewegung
der Maus. Je nach Einschränkung kann das eine eher schleppende
oder eher ruckartige Bewegung der Maus bedeuten – als ob Sie die
Maus mit Boxerhandschuhen oder mit Ihren Füßen bewegen
würden. Es ist daher von großer Bedeutung, dass wichtige
Navigationselemente im selben Bereich des Bildschirms positioniert
werden und dass gleichzeitig der anklickbare Bereich bei Links eine
angemessene Größe hat.
Kleine Flächen sind tendenziell für alle lästig.

Tastaturbedienung
Ähnlich wie bei den Screen-Reader-Anwendern ist die Tastatur
für motorisch gestörte Bewegungen der Maus wichtiger für
den Benutzer als eine Maus. Alle Funktionen müssen daher auch
per Tastatur ausgeführt werden können. Beispielsweise
sollten Image-Maps, sofern sie eingesetzt werden, immer so
angeboten werden, dass sie vom Browser interpretiert werden können
und nicht als Server-seitige Funktion in der Seite eingebaut sein,
um die Bedienung mit der Tastatur zu erlauben. Die Möglichkeiten,
die Tastatur als Maus-"Ersatz" zu berücksichtigen,
sind unlängst auch in Java und ActiveX implementiert.

Formulare
Ein "Spezialfall" der Tastatursteuerung ist der Umgang
mit Formularen. Formulare werden manchmal auch für die Navigation
eingesetzt, indem eine Liste von Themen o.ä. angegeben werden,
z.B. per Auswahlliste, Drop-Down-Menü oder Radio-Button.
Bei eingeschränkten motorischen Bewegungsmöglichkeiten
sind Radio-Buttons für Navigationsfunktionen eine erhebliche
Barriere.

Für motorisch Behinderte sollten bei Eingabefeldern möglichst
alle Voreinstellungen bereits eingetragen sein. Einen Mehrfachtastendruck
wie für das @ können viele kaum schaffen. Für sie
ist es gut, wenn das @ bereits im E-Mail-Feld steht, oder noch besser
bereits zwischen zwei Feldern steht (<TEXTAREA> @ </TEXTAREA>).
Für Sehbehinderte trifft das Gegenteil zu, weil sie unter Umständen
gar nicht merken, dass da schon was eingetragen ist oder sich die
Adresse auf zwei Felder verteilt. Sie schicken dann z.B. eine ungültige
Email-Adresse ab. Das W3C empfiehlt deshalb, in Formularen jeweils
eine Check Box vorzusehen, so dass ein Benutzer entscheiden kann,
ob das Formular bereits ausgefüllt sein soll oder nicht.

Ergänzend sei noch aus Sicht der Screen-Reader-Anwender gesagt:
Die Beschriftung von Eingabefeldern muss in deren unmittelbarer
Nähe erfolgen, damit es nicht zu Fehleingaben kommen kann.

Auditiv bedingte Barrieren

Welche Multimediaeffekte Sie in Ihrer Homepage einbauen, Sie werden
stets für einen bestimmten Personenkreis eine Barriere aufstellen.
Es gilt beispielsweise, für jedes akustische Signal eine entsprechende
optische Darstellung anzubieten.

Sound- und Video-Clips dokumentieren
Wenn Sie Interviews, akustische Informationen und andere gesprochene
Audiodateien auf ihren Seiten verwenden, sollten Sie dem Besucher
Ihrer Website auch eine Textalternative anbieten. Bei der
Verwendung von Video-Clips sollten entsprechende Untertitel
verfügbar gemacht werden.

Eine rein akustische Seite ist mir persönlich nicht bekannt,
aber die Sprache ist dem Menschen sicherlich ein intuitiveres Kommunikationsmittel
als die Tastatur und der Bildschirm. Sicherlich wird in der Zukunft
die Akustik im Web zunehmen. Es sollte daher immer darauf geachtet
werden, alternative Ausgabemöglichkeiten anzubieten.

Sprachlich bedingte Barrieren
Wie bei der auditiv bedingten Barriere besteht auch hier noch kaum
eine sinnvolle Anwendung im Netz, wo die Spracheingabe als Barriere
gelten könnte.
Spracheingabe ist sicherlich auf dem Vormarsch, aber es wird
noch Jahre dauern bevor interaktive Spracheingabe und -ausgabe zu
einem Mittel der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine auf
breiter Basis eingeführt werden kann.
Das WWW als multimediales Kommunikationsmittel wird aber zwangsläufig
die Sprache als Medium einsetzen, denn das ist unsere eigene natürliche
Form der Kommunikation. Für bestimmte Anwendungen ist durchaus
vorstellbar, dass die Sprache dem Text vorgezogen wird, aber beides
muss möglich sein.

Kognitiv bedingte Barrieren
In den WAI-Richtlinien sind im wesentlichen nur solche Kriterien
verankert, die physische Behinderungen betreffen. Barrieren, die
durch geistige Fähigkeiten bedingt sind, müssen
jedoch ebenso berücksichtigt werden, da sie durchaus – wenn
auch in subtilerer Weise – jeden betreffen können. Eine komplexe
Struktur der Inhalte und uneinheitliche Navigationsführung
erschwert jedem den Zugang zu Internetangeboten!

Verständlich wie eine Grundschul-Lektüre
In den Anfangszeiten des Internet waren es begabte Programmierer
und Gelehrte an Hochschulen, die das Medium "Internet"
benutzten. Seit Anfang der 90er werden die Teilbereiche "WWW"
und "Email" des Internets einem breiten Publikum immer
zugänglicher. Es sind nicht mehr alleine die Hochintelligenten,
die Analytiker und die Computer-Freaks, die das Web benutzen, sondern
zunehmend auch "durchschnittliche" Personen und
natürlich auch solche, die eine unterdurchschnittliche Intelligenz
besitzen.

Es ist wichtig, dass Informationen auf einer Website von möglichst
vielen verstanden werden. Versuchen Sie bei der inhaltlichen Gestaltung
Ihrer Webseiten, möglichst auf komplexe Sätze und zu viele
Fremdwörter zu verzichten.

Einfache Struktur / simple Navigation
Auch der Aufbau der Website, insbesondere der Navigation, sollte
möglichst einfach gehalten werden. Die Navigation mit Menüs
ist eng verknüpft mit einer visuellen Vorstellung des Aufbaus
samt Inhalt der Sites. Bei fehlenden Visualisierungsfähigkeiten
kommt es also darauf an, ein bestimmtes "Gerüst"
vor sich zu haben.

Einfache, sinnvolle Namen für URLs
Eine andere kognitive Störung liegt im Bereich des Gedächtnisses.
Ist ein Surfer nicht in der Lage, ungewöhnliche Namen oder
andere Texte für mehr als ein Paar Sekunden zu behalten, kann
das Navigieren im Web schnell in eine Sackgasse führen.

Wählen Sie Namen für Links, die einen Bezug zum Ziel
haben. Vermeiden Sie solche Terme wie "Hier klicken".
Sonstige Texte auf Ihren Seiten, die nicht als Link o.ä. einfach
angeklickt werden können, sollten ebenfalls eine bedeutungsvolle
Bezeichnung bekommen.

Wenn der Besucher Ihrer Webseite durch mehrere Seiten "gelotst"
wird, geben Sie Hilfestellung bei jeder Entscheidung anstatt eine
ausführliche Anleitung zu Beginn.

Rechtschreibprüfung bei Eingabefeldern
Auch Menschen mit Legasthenie sollten Sie berücksichtigen.
Nicht jeder beherrscht die deutsche Rechtschreibung – das gilt sowohl
für Deutsche als auch für internationale Besucher. Sie
sollten daher bei Eingabefeldern in Formularen Vorsorge tragen.

Wenn Sie Suchfunktionen für Ihre Website eingebaut
haben, überlegen Sie sich, ob Sie die Möglichkeit haben,
phonetisch vorzugehen. Auch eine automatische Rechtschreibprüfung
bei der Eingabe kann dem Benutzer helfen, schneller die Informationen
zu finden, die er sucht. Beispielsweise könnte bei einem 0-Treffer-Ergebnis
die Rechtschreibprüfung auch automatisch eingreifen und Verbesserungen
vorschlagen.

Allgemein gibt es viele behinderte Menschen, die ausgegrentz werden.
Mit diesem Wissen sollten auch Sie sich mehr mit dem Thema beschäftigen,
um eine behindertengerechte Webseite zu erstellen.

Jan Eric Hellbusch hat zum Thema "Barrierefreies Webdesign"
das Buch –Barrierefreies
Webdesign
– im KnowWare-Verlag veröffentlicht. Weitere
Informationen zum Thema finden Sie auf seiner Homepage

http://www.barrierefreies-webdesign.de/

This entry was posted in Barrierefreies Webdesign, Projektpflege. Bookmark the permalink.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *